Spirituosen und Sherryfässer – Diese Drinks reifen in Sherryfässern

Spirituosen und Sherryfässer - Diese Drinks reifen in Sherryfässern

Falls du schon mal bei einer Whisky-Verkostung warst, dann kennst du bestimmt das besondere Funkeln in den Augen der Anwesenden auftaucht – ob es nun Gelegenheitsgenießer, Whiskyliebhaber oder Brennmeister sind – wenn das Gespräch auf die Lagerung und den Reifeprozess in Sherryfässern kommt. Aber mal ehrlich, kann Sherry, der mal in einem Eichenfass aufbewahrt wurde, für den Reifeprozess von Brandy, Whisky und anderen Spirituosen denn wirklich so wichtig sein? Kurze Antwort: Oh ja!

Die Reifung in Sherryfässern ist einer der auf dem Weltmarkt gefragtesten, wenn nicht sogar DIE gefragteste Methoden für die Reifung und Veredelung von Spirituosen. Der Einfluss, den die Reifung im Sherryfass auf den Charakter hochwertiger Spirituosen hat, ist die Entwicklung ausgesprochen komplexer, großzügiger und fruchtiger Noten, die perfekt zu modernen Geschmäckern passen. Die traditionsreiche Technik, Fässer statt Flaschen zu verschiffen, führte zu den ersten internationalen und interkulturellen Erfahrungen mit diesen fast schon magischen Effekten. Den ersten echten Aha-Moment mit Sherryfässern hatten dann aber schottische Whiskyproduzenten. Zahlreiche Sherryfässer fanden ihren Weg in das Vereinigte Königreich, war Sherry doch schon seit Shakespeares Zeiten bei den Briten besonders beliebt. Die leeren Fässer an den Herstellungsort zurückzusenden lohnte sich nicht, also wurden sie vor Ort verkauft und dort für die Lagerung anderer alkoholischer Getränke weiterverwendet. Bis clevere Geister feststellten, dass die Lagerung ihrem Whisky mehr als guttat, war dann nur noch eine Frage der Zeit. Das wiederum führte zu viel Experimentierfreudigkeit, um herauszubekommen, ob die magischen Effekte des Sherrys auch mit anderen Spirituosen funktionierten.

Erst im Jahr 1986 stellten Hersteller des „Sherry-Dreiecks” rund ums spanische Jerez von der Verschiffung in Fässern auf Flaschen um. Das löste eine wahre Krise unter Whiskyproduzenten in Schottland aus, die auf diese Bezugsquelle von Fässern angewisen waren. Heutzutage garantiert Consejo Regulador of Jerez mittels einer Kontroll- und Zertifizierungsstelle die Authentizität und das Alter von Sherryfässern, die für die Reifung und Veredelung anderer Spirituosen weiterverkauft werden.

Heute wird es immer üblicher nicht nur Bourbon & Rye Whiskeys, kanadischen Whisky und japanischen Whisky im Sherryfass veredelt zu sehen, sondern auch Rum, Tequila und sogar Gin. 

Die Geschichte des Brandy de Jerez und seiner Sherryfässer

Die Geschichte gebrauchter Sherryfässer muss beim Brandy de Jerez. Viel in der Geschichte von Spirituosen hängt von der richtigen Ort, Zeit, Praktikabilität, Effizienz, Experimentierfreude und manchmal einfach glücklichen Zufällen ab. So begannen die ersten Versuche in europäischen Destillerien gleich mit der Einführung der Technik durch die Mauren in Südspanien während der Zeit zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert. 

„Abu Musa Jābir ibn Hayyān – unter Lateingelehrten einfach als ‘Geber’ oder ‘Al-Jabir’ bekannt – ist als erster Meister bekannt, der um das Jahr 790 herum eine Brennblase zur Destillation von Alkohol einführte.“

Der spanische Weinbau blüht schon seit 3000 Jahren ohne größere Unterbrechungen. Während der Besetzung durch die Mauren und mit Hilfe der von ihnen eingeführten Brennblasen wurden hier irgendwann zum ersten Mal spanische, fermentierte Trauben destilliert. Wann genau, ist allerdings noch in den Tiefen der Geschichtsschreibung verschollen. Die Geschichte des spanischen Jerez, unweit von Cadiz, ist eng mit der Lagerung und Verschiffung von Wein verwoben, also waren Weinfässer natürlich das optimale Behältnis für den Brandy, der zunehmend in der Region hergestellt wurde. Die hier ansässige Böttcherzunft konnte bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückverfolgt werden. Hier liest du mehr über die Geschichte von Sherryfässern, und hier erfährst du, was den Brandy de Jerez genau von Cognac unterscheidet.

So funktioniert der Reifungsprozess im Sherryfass

Was genau sind jetzt die Vorteile der Reifung in Sherryfässern? Die erste wichtige Info ist an dieser Stelle, dass Fässer aus Eiche sowohl luftdurchlässig als auch absorbierend sind, was sie für die Reifeprozesse von Weinen und Spirituosen schon mal ideal macht. Ein Standard Sherryfass mit 500 l oder 600 l Fassungsvermögen kann über 15 Liter Wein in seinen Dauben absorbieren. Und hier steckt auch der Schlüssel dieser Technik. Im Laufe der Zeit interagiert diese Sherrysättigung mit dem Holz selber, und wird zu einer neuen, aromatischen Form, die sich, wenn sie mit einem anderen Alkohol befüllt wird, wiederum weiterentwickelt. Das Eichenholz nimmt etwa Wein auf, atmet aber auch gleichzeitig nach außen, und dieser Kreislauf von Luft, Reifung und Aromen verändert alle beteiligten Elemente. Wenn man genau drüber nachdenkt, ist es quasi der Kreislauf des Lebens. 

Jetzt geht’s ans Eingemachte: Was ist denn nun der Unterschied zwischen Eichen- und Sherryfässern? Alle Sherryfässer sind auch Eichenfässer – nur eben mit Sherry “vorbehandelt”. Besonders beliebt sind hierfür Fässer aus amerikanischer Weißeiche mit neutraler Maserung, weil diese nach der Entdeckung des Kontinents (Heimat vieler Wälder, insbesondere Eichenwälder) zur praktischsten Wahl für die Reifung in Jerez avancierten. 

Der Begriff der neutralen Maserung kennzeichnet Eichenholz, dass nicht mehr neu ist sondern bereits zwei bis drei Jahre luftgetrocknet, und darum viel weniger Tannine und Aromen an Weine Spirituosen abgibt. Zu diesem Zweck wird amerikanische Eiche, die für die Herstellung von Sherryfässern bestimmt ist, so eingesetzt, oder vorbehandelt, dass das Holz ausreichend altert, um den Geschmack des Sherrys nicht mehr stark zu verändern – geschähe das nicht, könnte das Endresultat leicht zu sehr nach Holznoten und nicht mehr harmonische schmecken. Diese “Vorbehandlung” kann auch darin bestehen, in den Fässern eine gewisse Zeit lang Wein auszubauen oder Mosto (jungen Wein) zuzugeben, bis das Holz für anspruchsvollere Projekte wie die Reifung von Brandy oder Essig bereit ist.

Die besonderen Eigenschaften der amerikanischen Eiche machen sie zum idealen Material für Sherryfässer. Darunter zählen die hohe Dichte im Verhältnis zum Gewicht, ein größerer Zelluloseanteil, aber eine lockerere Maserung als bei europäischer Eiche, wodurch sie im Allgemeinen einfacher zu sägen und zu handhaben ist, und deshalb theoretisch auch weniger teuer wird (obwohl andere Faktoren die Kosten natürlich ebenfalls beeinflussen). Sie enthält auch natürliche Lactone, mehr Vanillin und süße Gewürznoten, aber dafür weniger Tannine. Sherry verbringt eine viel längere Zeit im Fass als ein durchschnittlicher Wein. Weil so die Holznoten der Eiche nicht zu aufdringlich werden, und damit die Balance Fruchtaromen, Holzstoffen und Tanninen nicht aus dem Gleichgewicht kommt, ist dieses neutrale Material ideal. Amerikanische Eiche bringt zwar auch viele Aromastoffe mit, in ihrer vorbehandelten oder gebrauchten Form erfüllt sie diese Anforderungen aber perfekt und ist darum wunderbar für Reifungsprozesse geeignet. 

Arten von Sherryfässern, die für Spirituosen verwendet werden

Die zwei gebräuchlichsten Arten von Sherryfässern, die für Reifungsprozesse verwendet werden, sind Oloroso und Pedro-Ximenez-Fässer. Manchmal werden auch Fino-, Amontillado-, Palo Cortado- und Cream-Sherryfässer verwendet, obwohl diese deutlich weniger kosteneffizient und im Ergebnis weniger überzeugend ist. Fino beispielsweise ist viel viel leichter im Körper und ähnelt mit seinem von Apfel, kalkiger Mineralität und würzigen Röstnoten geprägten Charakter eher einem Champagner. Amontillado- und Palo Cortado-Weine sind teurer und viel knapper im Bestand, was den Einsatz dieser Fässer schwieriger macht (außer natürlich, die Spirituose wird von einem Sherry-Haus mitproduziert, wie zum Beispiel Ron Dos Maderas). Oloroso und PX haben dagegen mehr Lactone, und zeigen Aromen von getrockneter Frucht, Nüsse, Gewürzen und auch herzhafte Noten, die nicht nur ihren Charakter ausmachen sondern sie auch besonders geeignet für die Fassreifung von Spirituosen machen. Oloroso-Fässer punkten beispielsweise mit Noten von Haselnuss, Walnuss, karamellisierter Aprikose, Honig-Bratapfel oder Birnentarte, Gewürzen, getrockneten Feigen, Tabak und Brioche. PX-Fässer zeigen dafür sattere Nuancen von Melasse und Zimt, Schokolade, Kirsche und Feigen, Kaffee, Sirup, Leder und noch vielem mehr.

Darum sind Sherryfässer so gut für die Veredelung von Spirituosen geeignet

Vom Brandy de Jerez mal abgesehen reifen Spirituosen selten ausschließlich in Sherryfässern, da letztere besonders gut dazu geeignet sind, bereits fassgereiften Alkohol den letzten Schliff zu verleihen. Man könnte darum auch von Veredelung sprechen. Ganz nebenbei kostet es ein Vermögen, eine Spirituose nur im Sherryfass reifen zu lassen (obwohl manche Hersteller, wie etwa Macallan, die Kosten nicht scheuen). Wäre das Usus, würden die Preise das Budget der meisten Liebhaber übersteigen. Um das kostbare Potenzial der Sherryfässer nicht zu vergeuden, sollten sie mehr als nur einmal für die Fassreifung eingesetzt werden. Außerdem bringen Sherryfässer generell mehr Lactone und Glycerine ins Spiel, was den Charakter eines Produkts aus dem Gleichgewicht bringen kann, wenn es den edlen Hölzern zu lange ausgesetzt ist. Im Allgemeinen kann ein Scotch darum das erste Jahrzehnt bequem in Standard-Eichenfässern reifen, dann erst gefolgt von einer mehrjährigen Veredelung in Oloroso-Fässern. Letztere wird damit quasi zum i-Tüpfelchen oder Sahnehäubchen einer bereits meisterhaften Kreation. Zuviel des Guten würde dagegen das Aromenprofil verzerren und könnte das gesamte Projekt zum Scheitern verurteilen. 

Diese Sorten Alkohol reifen in Sherryfässern

Die die Vorteile und Charakteristika der Reifung und Veredelung mit Sherryfässern heutzutage gut etabliert sind, wagen sich immer mehr Spirituosenhersteller zusätzlich zum Klassiker Whisky an den Prozess heran. Die magische Affinität von Sherry, sich an verschiedenste Zutaten und Aromen anzupassen, machen ihn schließlich so populär: Egal ob als Speisenbegleiter oder Zutat in Cocktails in Kombination mit einer weiten Bandbreite von Spirituosen und Geschmacksnoten. Scotch, Tequila und Mezcal haben beispielsweise einen ausgeprägt herzhaften Charakter, den ein wenig Sherry wunderbar abrundet. Das unterstützt subtil ihre rauchigen Nuancen, macht sie dank der Laktone im Sherry aber auch weicher, fruchtiger und – dank der Nussaromen – länger im Abgang. Sherry ist ein idealer Partner für alle Arten von rauchigen, herzhaften, mineralischen, reichhaltig blumigen, schokoladigen, oder sogar würzig-kräuterigen Geschmacksnoten. 

Im Sherryfass gereifter Rum

Wie oben erwähnt haben Oloroso und Pedro-Ximenez-Fässer viel mit Rum gemeinsam. Gleich und gleich gesellt sich gern: Die Aromen von Trockenfrucht, karamellisierter Würze und Nuss werden vom Sherry nur noch verfeinert. Der Dos Maderas hat als Marke des Sherryproduzenten Williams & Humbert den zusätzlichen Vorteil, das hauseigene Fässer für die Veredelung zum Einsatz kommen. Der 5+3 wird für 3 Jahre in VOS Palo Cortado Sherryfässern veredelt, nachdem er schon 5 Jahre in ehemaligen Bourbonfässern in der Karibik reifen konnte. Im direkten Vergleich mit dem 5+5 fallen die Unterschiede schnell auf, da letzter schon einmal zwei zusätzliche in Pedro-Ximenez-Fässern reift, was ihn noch reichhaltiger macht. Zum Portfolio des Hauses gehört außerdem der 10 Jahre gereifte Selección, der einen 10-jährigen karibischen Rum mit dem 5+5 verblendet, sowie der 15 Jahre reife Luxus, der nach 10 Jahren in der karibischen Heimat noch einmal 5 Jahre lang in Pedro-Ximenez veredelt wird..

Im Sherryfass gereifter Brandy

Ähnlich wie Rum ist auch Brandy (ein destillierter Wein, im Eichenfass gereift) ein ideal Kanditat für die Veredelung im Sherryfass. Sherry ist schließlich auch ein Wein, und die “Gleiches mit Gleichen”-Regel führt auch hier zu wunderbaren Ergebnissen. Hersteller Williams & Humbert veredelt nicht nur schon seit 1945 den Star des Hauses, die Grand Duque de Alba Serie, im Sherryfass, sondern lässt diesen auch in einem separaten, aus 8 Criaderas bestehenden Solera-System reifen. Zu der Serie gehören Brandys, die zwischen 12 und 20 Jahren gereift sind, und dafür je nach Label Oloroso-, Palo-Cortado- und Pedro-Ximenez-Fässer durchlaufen. Hier erfährst du mehr darüber.

Im Sherryfass gereifter Whiskey

Die Nachfrage nach in Sherryfässern veredelte Bourbon und Rye Whiskeys ist in den letzten Jahren stark gewachsen, was allein schon ein Beweis ist, wie populär der Zauber des Sherry geworden ist. Einfach zu findende Informationen auf den Etiketten deuten ebenfalls an, wie beliebt dieser “Sherryfaktor” schon geworden ist. Bourbons, die sich durch höhere Mais- und Weizenanteile auszeichnen, haben insgesamt einen süßeren Körper, und Ryes sind insgesamt würziger und vollmundiger. Oloroso rundet diese Spirituosen mit nussiger Fülle ab, während Pedro-Ximenez-Fässer für dunklere und noch dekadentere Noten von Molasse und Praline sorgen.

Im Sherryfass gereifter Scotch

Früher war nie so genau klar, welche Hersteller eigentlich regelmäßig mit Sherryfässern arbeiteten. Ähnlich wie bei französischen Weinbezeichnungen der alten Schule, die nur selten auf dem Etikett die Rebsorte angeben, musste man auch hier ein wenig nachforschen, um Genaueres zu erfahren. Heutzutage ist es dagegen ein Zeichen des Stolzes und der Experimentierfreude, wenn nicht nur mit Sherry, sondern auch mit Madeira, Port, Sauternes, Bordeaux, Pineau de Charentes oder andere Weinveredelungen geworben wird. Der Einfluss des Sherrys auf den Charakter entspricht dabei den schon bekannten Regeln: Die Veredelung intensiviert und strukturiert Fruchtnoten, integriert Gewürzaromen  und sorgt für einen längeren Nachhall, die für Scotch typischen Heidekraut- und Honignuancen werden herausgearbeitet und rauchige Noten werden danke Lactonen und viel Liebe zum Detail besser integriert und weicher im Geschmack.

Im Sherryfass gereifter Gin

Vor der immensen Popularität von Gins im London Dry-Stil setzte die Gin-Branche im Allgemeine eher auf die Reifung im Eichenholzfass (so zum Beispiel Old Tom Gin und Genever). Diese Techniken sind auch keinesfalls vom Markt verschwunden, sondern werden im Gegenteil von vielen Hersteller neu und moderner aufgezogen. Insbesondere Old Tom Gins, die im Gegensatz zu ihrem Cousin, dem London Dry, mehr Glyzerin und Süße haben und damit ihre kräuterigen Wacholderelemente ausgleichen, funktionieren gut mit einem weicheren Eichenholzelement. Wie Tequila haben Gins einen herben, oft würzigen Charakter, mit dem wiederum Sherry gut spielen kann. Der Aufstieg der Craft-Cocktail-Kultur, in der Mixologen Sherry mit Gin und Tequila und jeder anderen Spirituose mischen, hat nur zu diesen Kombinationen beigetragen. Viele „Barrel Aged“- oder „Barrel Reserve“-Gins werden immer beliebter, und die Sherryfass-Technik wird deswegen höchstwahrscheinlich nur noch mehr eingesetzt werden. Ein im Fino-Fass veredelter Gin? Das wär doch was! Hypothetische Frage: Hat jemand da draußen ein Sherryfass, und hätte Lust, damit ein paar Cocktails zu veredeln? Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme!

Autor: Chantal Tseng, DC Bar-Somm

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